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Vergleich Autogenes Training gegen Progressive Muskelrelaxation
Autogenes Training (AT) und Progressive Muskelentspannung (PMR) im Vergleich – was ist besser? Gemeinsamkeiten und Unterschiede beider Entspannungsmethoden haben wir hier für Sie aufbereitet, damit Sie eine bessere Auswahl treffen können. Mit welcher Methode kann man besser vom Stress entspannen? Eine offensichtliche Antwort gibt es leider nicht, die Unterschiede stecken im Detail. Widmen wir uns zunächst den Gemeinsamkeiten:
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Gemeinsamkeiten von AT und PMR
Autogenes Training geht zurück auf den Psychiater Johannes H. Schultz, der das Original des heutigen Entspannungsverfahren ab 1928 als „konzentrative Selbstentspannung“ praktiziert und aus der Hypnose abgeleitet hat. Die Progressive Muskelentspannung geht zurück auf den Chirurgen Edmund Jacobson, der diese Entspannungstechnik ab 1908 entwickelte. Sowohl Autogenes Training, als auch die Progressive Muskelentspannung entstanden also zu Anfang des 20. Jahrhunderts durch Mediziner und haben somit zumindest eine ähnliche Herkunft.
Tatsächlich gemeinsam haben beide Verfahren, dass sie primär zu dem Zweck entwickelt wurden, bewusst und kontrolliert eine Entspannungsreaktion im Körper hervorrufen zu können. Entspannen ist bei beiden Verfahren das erklärte Ziel. Das unterscheidet Autogenes Training und Progressive Muskelrelaxation übrigens von anderen Entspannungsmethoden wie Yoga oder Meditation und macht sie zu den klinisch bedeutsamsten Entspannungsmethoden.
Da beide Techniken schnell erlernbar und effektiv bzw. wenig aufwendig sind, sind sie zudem beide sehr beliebt und verbreitet. Man kann nicht sagen, dass eine der beiden Techniken mehr Zeit in Anspruch nimmt, als die andere. Große Überschneidungen haben beide Techniken zudem in ihren Anwendungsgebieten zur Linderung bestimmter Beschwerden sowie bei den Kontraindikationen. Beide Techniken sind nicht bei schweren Erkrankungen geeignet, ebenso wie bei Ich-Störungen, Halluzinationen, Zwängen, Bewusstseinseintrübungen und Wahrnehmungsstörungen. Ein gewisser Einklang von Physis und Psyche ist Voraussetzung.
Zu den gemeinsamen Anwendungsgebieten wiederum zählen neben der Prävention von Stress konkrete Beschwerden wie Schlafstörungen, Nervosität, Verspannungen, Kopfschmerz, Furcht und Ängste, Konzentrationsmangel, Durchblutungs- oder auch Verdauungsprobleme. Die Liste ließe sich noch fortsetzen, doch interessanter ist der Blick auf die Unterschiede...
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Kostenloses Ruhebild zum Anhören
Dieses Hörbeispiel demonstriert nicht das Autogenes Training (AT), man könnte es aber als eine verspielte, sehr bildhafte Vorstufe davon ansehen. Wem die Betonung von Ruhe und Gelassenheit gut gefällt, dem wird vermutlich das Autogene Training eher liegen, als die Progressive Muskelrelaxation (PMR). Ausdrücklich
nicht anwenden sollten Sie diese Ruheübung bei akuten Psychosen, schweren Depressionen, posttraumatischer Belastungsstörung und schmerzhaften, körperlichen Beschwerden.
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Unterschiede von AT und PMR
Um zu entspannen, werden beim Autogenen Training verschiedene Übungen absolviert, die sich ausschließlich im Kopf abspielen. Jede Übung suggeriert eine bestimmte Empfindung, stets begleitet von der Betonung auf Ruhe und Ausgeglichenheit. Das vordergründige Prinzip, auf welchem Autogenes Training beruht, ist also die Selbstbeeinflussung des Körpers durch Suggestion. Der Trainierende versucht, sich mittels geeigneter Übungen Entspannung vorzustellen, worauf tatsächlich eine entsprechende Entspannungsreaktion des Körpers eintritt. Das heißt, das vegetative Nervensystem spricht auf die jeweilige Übung an.
Ein Alltagsbeispiel macht das Wirkungsprinzip noch greifbarer: Speichelfluss ist genau wie eine körperliche Entspannungsreaktion nicht willkürlich, lässt sich aber durch die richtigen Gedanken beeinflussen. Denken wir umso detaillierter an eine leckere Mahlzeit, nimmt der Speichelfluss mit hoher Wahrscheinlichkeit zu. Eine eigentlich unwillkürliche Körperfunktion lässt sich beeinflussen. Dem liegt die Tatsache zugrunde, dass das menschliche Gehirn kaum zwischen Realität und Einbildung unterscheiden kann.
Die Progressive Muskelentspannung geht hingegen nicht primär vom Geist aus, um auf den Körper einzuwirken, sondern wirkt schematisch gesehen eher umgekehrt. Das analoge Beispiel wäre: Durch eine kauende Bewegung des Unterkiefers wird Speichelfluss angeregt, welcher dem Gehirn bzw. dem Bewusstsein den Verdacht nahelegt, es gäbe etwas zu essen.
Nach diesem Prinzip wird bei der PMR mit den Muskeln der Willkürmuskulatur gearbeitet, um anschließend deren Entspannung bewusst wahrzunehmen. Diese spürbare Entspannung des Bewegungsapparates löst wiederum Gefühle der Entspannung und des Wohlbefindens im Bewusstsein aus. Die Grundlage bildet hier die umgekehrte Reizleitung zwischen Muskulatur und Nerven. Jedoch wird ähnlich wie beim Autogenen Training die Entspannung durch eine Übung nach der anderen forciert. Dabei richtet sich jede Übung an eine andere Muskelgruppe um schließlich immer tiefer zu entspannen.
Durch diesen Unterschied in der Wirkungsweise ergeben sich auch Unterschiede in der praktischen Anwendung: Während Autogenes Training Ruhe, Gelassenheit und Gleichgültigkeit im Denken anstrebt, ist bei Progressiver Muskelentspannung Bewegung und Anspannung der Muskulatur Voraussetzung, um in einen Entspannungszustand zu gelangen. Dennoch handelt es sich in beiden Fällen um aktive Entspannungsverfahren. Weder die eine, noch die andere Technik darf als passive Entspannung verstanden werden. Man verdient sich die Entspannung durch eine Leistung. Was bei PMR die motorische Aktivität ist, erfordert Autogenes Training nämlich in kognitiver Hinsicht.
Daraus lassen sich wiederum Unterschiede bezüglich der Eignung ableiten. In folgenden Fällen lässt sich ganz klar sagen, welche Technik die empfehlenswerte ist: Autogenes Training sollte beispielsweise nicht bei Manie, Aufmerksamkeitsstörungen, Hyperaktivität, Epilepsie oder Tremor angewendet werden. Im Umkehrschluss eignet sich Progressive Muskelentspannung weniger bei motorischen Einschränkungen, etwa bei Schwangeren oder Personen mit chronischem Muskelrheuma, Hexenschuss, akuten Gelenkserkrankungen, Beschwerden mit der Bandscheibe, akuten Muskelentzündungen, Herzinsuffizienz, starken Kreislaufproblemen oder Zwangsstörungen.
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Fazit: AT und PMR im Vergleich
Welche der Methoden lohnt sich denn nun, um zu lernen, entspannt durch den Alltag zu kommen und gesund zu bleiben? Nochmal zu betonen ist, dass beide Entspannungsverfahren geringe Ansprüche an ihre Anwender stellen und diese Unterschiede auf niedrigem Niveau rangieren. Betrachtet man sie unter der Lupe, dürfte Progressive Muskelentspannung aber die etwas einfachere Entspannungsmethode sein. Sie wirkt schnell, aber eher kurzfristig gegen Stressspitzen, während Autogenes Training den Vorteil hat, sich besser für eine langfristige Ursachenbekämpfung zu eignen, ist man in der etwas komplexeren Selbstbeeinflussung erst einmal trainiert.
Tendenziell kann man erkennen, Autogenes Training baut stärker auf kognitiven Fähigkeiten wie Konzentration, Achtsamkeit (Wahrnehmungsqaulität) und Fantasie auf; während der Körper ruht. Eine gewisse spirituelle oder emotionale Ader ist ebenfalls von Vorteil, um Gefallen an Autogenem Training zu finden. Progressive Muskelentspannung setzt ebenfalls ein gewisses Maß kognitiver Fähigkeiten wie Konzentration und Achtsamkeit voraus, jedoch weniger deutlich. Dafür spielt die Sensomotorik eine größere Rolle. Agile Typen, denen es schwer fällt ruhig zu liegen, werden an PMR daher wahrscheinlich eher Freude empfinden.
Entscheidend für den Entspannungserfolg ist über allem aber weniger die Wahl der Technik, als die persönliche Motivation. Denn beide Techniken benötigen wiederkehrendes Training, Zeit und den Wille, sie in die Alltagsroutine einzubeziehen. Lernen Sie also am besten die Technik, die sie spontan neugieriger gemacht hat. Vermutlich bringen Sie für diese dann automatisch auch die größere Motivation auf. Sollte Ihnen die Entscheidung nach dieser Lektüre aber dennoch schwer fallen, nehmen Sie für eine persönliche Beratung gerne Kontakt zu uns auf.
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Zur Kursbuchung für AT oder PMR