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Medikamentensucht

Medikamentensucht

Die Medikamentensucht oder Medikamentenabhängigkeit ist ein Medikamentenmissbrauch von eigentlich zur Genesung und nur zur kurzfristigen Einnahme gedachter Medikamente, deren Wirkung ohne medizinische Veranlassung ist. Werden die enthaltenen Substanzen entzogen, treten  psychische und körperliche Entzugserscheinungen auf.

Medikamentenmissbrauch oder Medikamentensucht?

Laut ICD-10 ist nicht jeder Medikamentenmissbrauch zugleich eine Medikamentensucht, obwohl beide Begriffe fälschlicherweise häufig synonym verwendet werden. Im Internationalen Klassifikationssystem ICD-10 wird die suchtbedingte Einnahme von Pharmazeutika den Psychischen Störungen und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen (F1) zugeordnet. Liegt ein Missbrauch ohne Sucht nach den jeweiligen Substanzen vor, handelt es sich um Medikamentenmissbrauch als Verhaltensauffälligkeit (F5). Beispielhafte Codierungen unter F1 sind:
  • F11 Störung durch Opiate
  • F13 Störung durch Hypnotika und Sedativa (bspw. Barbiturate, Benzodiazepine)
  • F15 Störungen durch Stimulanzien (bspw. Amphetamin, Koffein)
  • F55 Missbrauch von nicht abhängig machenden Substanzen (bspw. Nasensprays, Abführmittel)
Ob ein Medikamentenmissbrauch bereits zu einer Sucht und Abhängigkeit ausgewachsen ist, wird in der Regel anhand von sechs Kriterien definiert, von denen bei mutmaßlich betroffenen Patienten mindestens drei innerhalb der letzten zwölf Monate erfüllt seien müssen. Diese Kriterien einer Medikamentensucht bzw. Medikamentenabhängigkeit sind:
  • starker Wunsch oder auch Zwang, das jeweilige Medikament zu konsumieren
  • verminderte Kontrolle, die Einnahme der Medikamente zu dosieren oder zu beenden
  • körperliche Entzugssymptome bei fehlendem Medikament
  • Toleranzentwicklung (Wirkungsverlust oder Dosissteigerung)
  • Vernachlässigung bisheriger Interessen als Folge verstärkter Anstrengungen, das Medikament zu beschaffen
  • fortgesetzter Konsum trotz auftretender Folgeschäden
Bei einer Medikamentensucht ist meist eine stationäre Behandlung notwendig. Aber keinesfalls darf ein Medikamentenmissbrauch, wenn er nicht von einer Sucht gekennzeichnet ist, als weniger bedrohlich verharmlost werden. Bei Medikamentenmissbrauch treten ebenso wie bei der Medikamentensucht bzw. Medikamentenabhängigkeit früher oder später körperliche Schäden auf. Zudem kann die Wirkung von Pharmazeutika ohne gesundheitliche Veranlassung eine andere sein. Medikamente nach eigenem Ermessen einzunehmen, ist und bleibt daher ein gefährliches Spiel mit der eigenen Gesundheit.

Symptome einer Medikamentensucht

Die Medikamentensucht wird maßgeblich von Symptomen der Abhängigkeit begleitet, die sich sowohl psychisch, als auch physisch niederschlagen. Physische Symptome können Unruhe, starke Transpiration oder Zittern sein, sobald der entsprechende Wirkstoff dem Organismus nicht mehr in ausreichender Dosierung bzw. gewohnten Zeitabständen zugeführt wird. Gleichwohl ist es ein physisches Symptom, wenn sich der Organismus dem Wirkstoff anpasst. Diese sogenannte Toleranzentwicklung bedeutet, die Gewohnheit führt zu einer Hemmung des Wirkungseffekts. In der Folge muss der Süchtige die Dosis des Wirkstoffs erhöhen, um die selbe Wirkung zu erzielen, wie zu früheren Phasen der Abhängigkeit. Schließlich sind Medikamente nur in seltenen Fällen zur langfristigen Einnahme gedacht.

Psychische Symptome sind hingegen die trügerische Ansicht, mithilfe der Medikamente das Wohlbefinden zu steigern oder durch Medikamente gar Probleme in der Außenwelt lösen zu können. Das damit verbundene Gefühl der Notwendigkeit ist jedoch irrational und Teil der psychischen Krankheit. In ihrer Abhängigkeit erleben Betroffene dann oftmals Kontrollverlust, soziale Vereinsamung und verlieren die Freude an bisherigen Interessen. Der Mensch, wie er zu Beginn des Medikamentenmissbrauchs war, verschwindet mit der Abhängigkeit immer mehr und wird Geisel seiner Sucht.

Schwer wird es Betroffenen mit einer ausgeprägten Sucht dann noch gelingen, sich dazu durchzuringen, die Medikamente abzusetzen, geschweige denn professionelle Hilfe aufzusuchen. Vor allem, da die Kehrseite der Sucht mit Entzugserscheinungen wie Angstattacken, Schlafstörungen, Kreislaufschwierigkeiten und Psychosen einhergehen kann. Die Erfahrung eines solchen Entzugs nährt schnell die Ansicht, sich bloß nicht in eine Therapie zu begeben, da schon die Vorstellung, künftig ohne Medikamente auszukommen, Panik auslösen kann. Hier ist das Umfeld und die Familie umso wichtiger, den Betroffenen beizustehen und möglichst frühzeitig Hilfe aufzusuchen.

Ursachen von Medikamentensucht und Missbrauch

Warum kommt es eigentlich erst soweit, dass Menschen Medikamente, die doch eigentlich zur Besserung entwickelt wurden, in schädlicher Absicht einnehmen? Zunächst ist festzuhalten, dass von einer Medikamentensucht betroffene Menschen kaum eine selbstzerstörerische Absicht haben. Sie sind stattdessen schlichtweg süchtig, ähnlich einem Raucher, der trotz Kenntnis über die Folgen seiner Sucht weiterhin zu Zigaretten greift. Gerade das Umfeld kann diese Abhängigkeit oft nicht nachvollziehen, was nicht selten zum Zerwürfnis führt.

So eine Sucht und Abhängigkeit von Medikamenten entsteht jedoch seltener aus einem konkreten Vorsatz. Viel eher kommt es zur Medikamentensucht, wenn Pharmazeutika unbeabsichtigt falsch angewendet werden. So kann eine Überdosis oder auch eine zu lange Verschreibung der Anfang einer solchen Abhängigkeit sein. Begünstigt werden Überdosis und Einnahmezeitraum durch das positive Erleben, welches Betroffene zu Beginn ihrer Medikamenteneinnahme erfahren. Als häufigste Mittel sind hierbei Schlaftabletten und Schmerzmittel zu nennen, die zu einer Sucht führen. Dabei müssen die Medikamente paradoxer Weise gar nicht im Zusammenhang mit dem positiven Erleben stehen, sondern können auch mit der gewonnen Zuwendung während der Erkrankung oder anderen Faktoren assoziiert werden.

Beispiel: Die Sucht nach Schlaftabletten

Wie einfach die Konditionierung wirken kann, zeigt das Beispiel Schlaftabletten. Sie sind das häufigste Suchtmittel im Medikamentenmissbrauch und überbieten sogar Schmerzmittel. Vor allem ältere Menschen nehmen derartige Beruhigungsmittel missbräuchlich ein, da sie sich davon eine erholsamere Nachtruhe erhoffen, gleichwohl kürzerer Schlaf im Alter nicht ungewöhnlich ist. Medikamente wie Schlaftabletten sind zudem leicht erhältlich und sind gesellschaftlich nicht tabuisiert. Das erleichtert deren Bezug und verharmlost den Konsum.

Ob die Schlafmedizin den Betroffenen tatsächlich hilft und eine Wirkung hat, ist unwichtig. Tatsächlich können Benzodiazepine sogar Schlaflosigkeit und Nachtmahr bewirken. Es reicht jedoch, in der subjektiven Wahrnehmung die Arzneimittel als Hilfsmittel für eine bessere Nachtruhe anzuerkennen. Schon durch die Sehnsucht und Hoffnung nach einer ruhigen Nacht kann hier ein starker Placeboeffekt eintreten, sodass die Tablette wirkt, weil man es möchte oder aber, die Schlaftablette bewirkt das Gegenteil, worauf die Dosis erhöht wird. So oder so: Die Wirkung der Medikamente wird letztlich überschätzt. Doch das positive Erleben verstärkt schließlich das Verhalten, erneut Schlaftabletten zu nehmen. - Schmerzmittel wiederum haben noch den verstärkenden Effekt, zu öffentlicher Aufmerksamkeit zu führen, visualisieren sie doch ein nicht sichtbares Leiden, für das man Zuspruch und Zuneigung erhalten kann, sobald es vergegenwärtigt wird.

Hilfe bei Medikamentensucht

Betroffene holen sich kaum eigenständig Hilfe, weshalb das Mitwirken von Angehörigen und Freunden umso wichtiger ist. In der Realität sieht es aber so aus, dass der Arzt die Medikamentensucht behandelt, weil der Patient durch ein anderes Problem vorstellig wird. Ein typisches Szenario sind ältere Damen und Herren, die über körperliche Symptome klagen, zum Beispiel Herzstechen, wofür sich keine plausible physische Ursache finden lässt. Wer denkt schon daran, dass Arzneimittel, die zur Genesung führen, Ursache des Problems sind? Mit der Überweisung an den Psychiater stellt sich heraus, dass eine Medikamentensucht vorliegt. Erst jetzt, mit den beginnenden Spätfolgen der Medikamentensucht, kann der Patient Hilfe erhalten, sein Problem selbst zu erkennen und die Sucht zu besiegen.

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